Politik in Verantwortung: Darum geht es

Für die Öffentlichkeit bietet die Marburger Stadtpolitik derzeit ein unübersichtliches Bild. Konflikte, Personalentscheidungen, öffentlich ausgetragene Frustrationen und nicht zuletzt die Lancierung persönlicher eMails und interner Papiere an die Presse – das alles scheint nicht geeignet, Vertrauen in die Akteure zu setzen.

Dagegen muss man sich immer vor Augen halten: Dissens und Konflikt gehören zur Demokratie dazu. Neue Überlegungen werden eingeführt und setzen sich durch, Positionen werden geklärt. Sicherlich hat es dabei in den letzten Wochen auch Fehler im persönlichen Miteinander oder im Umgang mit den Medien gegeben, manche Entscheidung erscheint schwer nachvollziehbar und ist für die Betroffenen mit tiefen Verletzungen verbunden. Aber: wenn ein Streit nicht um des Streitens willen geführt wird, klärt sich die Situation. Das passiert derzeit in Marburg. Die Vertagung von Konflikten hingegen führt zu andauernder Verunsicherung und Frustration.

Die Marburger SPD ist bereits seit einiger Zeit dabei – deutlicher als vielleicht bislang wahrnehmbar – Positionen zu beziehen und dafür einzustehen. Der Parteitag am 8. Oktober hat erneut deutlich gemacht: Die Marburger SPD muss sich nicht verstecken:

  • Im Bereich der Altenpolitik und der Weiterentwicklung der Marburger Altenhilfe mit der Stiftung St. Jakob weisen wir alle Versuche der Meinungsbildung zurück, die nahelegen wollen, dass die SPD antiquiert Konzepte verfolgt. Richtig ist: Die SPD hat sich immer dafür eingesetzt, dass die Weiterentwicklung der städtischen Gesellschaft Marburger Altenhilfe auf einer wirtschaftlich soliden Basis erfolgen muss. Alles andere ist aus Sicht der SPD verantwortungslos. Und zwar sowohl gegenüber den Beschäftigten als auch gegenüber denjenigen, die in den Einrichtungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen sollen. Die SPD verwahrt sich insbesondere auch dagegen, dass das Argument notwendiger ökonomischer Tragfähigkeit dafür herhalten soll, neue Wege in der Altenpolitik zu verhindern. Das Gegenteil ist der Fall. Neue Wege lassen sich aber nachhaltig nur gehen, wenn ausgeschlossen ist, dass die öffentliche Hand auf Dauer Geld zuschießen müsste. Die SPD hat auf ihren Parteitagen dazu bereits vor längerer Zeit entsprechende Beschlüsse gefasst.
  • Altenpolitik erschöpft sich auch für die SPD nicht in der notwendigen Neuaufstellung der Marburger Altenhilfe und der Stiftung St. Jakob. Die Stadtteilbefragungen, Konzepte gemeinschaftlichen Wohnens, der Aufbau eines Beratungs- und Pflegestützpunktes − diese Elemente der Politik der SPD sind durch die Verengung der Diskussion auf die städtische Gesellschaft Marburger Altenhilfe und ihre aktuellen Notwendigkeiten und schließlich durch die reine Gegenüberstellung von Platzzahlen ("Betten") aus dem Blick geraten. Dabei gilt: Auch die Marburger Altenhilfe selbst verfolgt selbstverständlich moderne Ansätze mit hohen Qualitätsstandards. Wer anderes behauptet beschädigt die Marburger Altenhilfe und zerstört das Vertrauen, das diese Einrichtung bei den Menschen genießt. Die SPD wird die konzeptionellen Fragen deshalb wieder in den Vordergrund stellen und zeigen: Wir haben hier keinen Nachholbedarf gegenüber anderen politischen Mitbewerbern.
  • In den Fragen der Windkraftanlagen auf den Lahnbergen hat sich die SPD in den vergangenen Monaten dahingehend neu positioniert, dass wir sagen: Wir wollen Windenergie, und zwar möglichst schnell. Dafür bieten andere Standorte bessere Chancen als die Lahnberge. Darüber hinaus sind die beiden Standorte auf den Lahnberge kritisch zu beurteilen. Sehr viel spricht augenfällig dagegen, hier Windkraftanlagen mit einer Höhe von 180 Metern zu errichten. Deshalb hat die SPD deutliche Vorbehalte dagegen formuliert, die potenziellen Windenergiegebiete in den neuen Regionalplan aufnehmen zu lassen. Auch die Frage, ob – wie vom Regierungspräsidenten angeregt − ein Abweichungsverfahren eingeleitet werden soll bzw. ein entsprechender Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom März 2009 wieder in Kraft gesetzt werden soll, ist noch in der Diskussion.

    Die Frage ist: Warum soll es – auch in einer Koalition – nicht möglich sein, seine Position im laufenden Diskussionsprozess neu zu bestimmen?

    Hinzu kommt: In einer Koalition müssen beide Sichtweisen zu ihrem Recht kommen können. Dass das geht, hat die Koalition gerade in diesen Tagen am Beispiel der Altenpolitik gezeigt.

    Dies sind nur diejenigen Fragen, die derzeit in der Öffentlichkeit eine hohe Aufmerksamkeit haben. Die SPD – Partei wie Fraktion − ist in der Tat gewillt, eindeutiger als bislang ihre Haltung zu vertreten. Das mag manche politische Beobachter und Akteure irritieren. Der Prozess ist auch gegenwärtig, Ende Oktober 2009, nicht abgeschlossen. Allen Beteiligten wurde aber zunehmend bewusst, dass die Fortsetzung bestehender Entwicklungen, wie sie sich in den Diskussionen des Frühjahrs und nach der Sommerpause gespiegelt haben, für die Partei und ihre Glaubwürdigkeit nicht hilfreich sein wird. Unter diesen Vorzeichen gilt der Satz, dass sich die Austragung von Konflikten lohnt, weil am Ende Klarheit darüber besteht, was die SPD für Marburg und die Menschen in der Stadt will.